Traumatologie

Was ist ein Zahntrauma?

Statistisch gesehen erleidet etwa jedes zweite Kind vor Vollendung des 16. Lebensjahres ein Zahntrauma. Die meisten Zahnunfälle ereignen sich beim Sport. Als besonders unfallträchtig sind alle Kampf- und Ballsportarten zu bewerten, aber auch Radfahren, Rollerbladen und Hockeyspielen. Hierbei sind am häufigsten die mittleren Schneidezähne des Oberkiefers betroffen.

Häufig handelt es sich bei den unfallbedingten Zahntraumata um komplexe Verletzungen, bei denen je nach Art und Schwere des Traumas sämtliche Strukturen des Zahnes und des Zahnhalteapparates betroffen sein können. Die Bandbreite von Zahnverletzungen reicht von isolierten Brüchen der Zahnkrone über Wurzelfrakturen bis hin zu Zahnlockerungen und totalem Zahnverlust.

Abbildung: Unfallbedingter Totalverlust mehrerer Schneidezähne

Während unfallbedingte Zahnschäden im Sinne von Kronenfrakturen und Zahnverfärbungen, infolge häufig notwendiger Wurzelkanalbehandlung des verunfallten Zahns, heute in vielen Fällen erfolgreich behandelt werden können, resultieren schwere Verletzungen des Zahnhalteapparates, welche infolge von Zahnlockerungen oder Zahnverlusten auftreten, insbesondere im jugendlichen Gebiss vor Abschluss des Kieferwachstums, häufig in einem Behandlungsmisserfolg und enden nicht selten mit dem definitiven Verlust des entsprechenden Zahns.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Grundsätzlich sollte jedes Zahntrauma so schnell wie möglich einem Zahnarzt vorgestellt und eine adäquate Therapie eingeleitet werden. Nicht nur der Faktor Zeit, sondern auch die Art und Qualität der Erstbehandlung stellen einen entscheidenden Prognosefaktor für den Langzeiterfolg der Behandlung dar. Dies gilt besonders für komplexe Zahnverletzungen wie die Totalluxation eines Zahns. In diesem Fall ist der Zahn unfallbedingt komplett aus seinem Zahnfach herausgeschlagen. Der Behandlungserfolg nach einer Totalluxation wird vor allem durch die Dauer und Art der Lagerung des Zahns außerhalb seines Zahnfachs beeinflusst. Nur bei sofortiger physiologischer feuchter Lagerung des entsprechenden Zahns in einer Zahnrettungsbox mit spezieller Zellkulturnährlösung, welche den sensiblen Zellen der Wurzelhaut des herausgeschlagenen Zahns ein Überleben ermöglicht, kann mit einer funktionellen Heilung nach Replantation (Zurücksetzen des Zahns in sein ursprüngliches Zahnfach) gerechnet werden. Die Therapie nach Totalluxation, aber auch anderen Dislokationsformen verletzter Zähne, besteht nach Replantation bzw. Reposition des entsprechenden Zahns in einer Schienung an seinen unverletzten Nachbarzähnen.

Abbildung: Schienung gelockerter Schneidezähne mit einer drahtverstärkten Kunststoffschiene

Je nach Entwicklungs- und Reifungsstadium des verunfallten Zahns, ist eine Wurzelkanalbehandlung unumgänglich, um eine Infektion des Zahninneren zu vermeiden.

 

Welche Prognose hat die Behandlung?

Im Idealfall kommt es nach Replantation des entsprechenden Zahns zur Heilung aller beteiligten Gewebe. Dies ist allerdings nur dann zu erwarten, wenn der Zeitraum bis zur Replantation kurz war, der totalluxierte Zahn nicht trocken gelagert wurde und notwendige Wurzelkanalbehandlungen möglichst frühzeitig durchgeführt wurden. Komplikationen im Heilungsverlauf sind allerdings häufig und äußern sich, je nach Schweregrad des Traumas und Entwicklungsstadium des entsprechenden Zahns, entweder als oberflächliche oder ausgedehnte fulminant entzündliche Resorption der Zahnwurzel. Bei großflächigen Verletzungen der Wurzelhaut kann die Wurzel im Zuge der Heilung durch Knochen ersetzt werden (Ersatzresorption / Ankylose). Im Falle wurzelunreifer Zähne jugendlicher Patienten kann eine Ersatzresorption in einem Ausbleiben des Weiterwachsens des lokalen Kieferknochens an dieser Stelle resultieren. Besteht gleichzeitig mit der Verletzung der Wurzelhaut eine Infektion im Wurzelkanalsystem, werden ausgedehnte Entzündungsresorptionen schon frühzeitig nach dem Unfall beobachtet. Bei derartigen infektionsbedingten Resorptionen werden Zahnverluste schon nach sechs bis acht Wochen beschrieben. Der Großteil der betroffenen Zähne geht innerhalb des ersten Jahres nach Unfall verloren.

Aufgrund des unfall- oder resorptionsbedingten Gewebeverlustes ist der Ersatz des verlorenen Zahns mit einem Implantat häufig nur nach aufwändigem hart- und weichgeweblicher Kieferkammaufbau realisierbar. Bei nicht abgeschlossenem Kieferwachstum des jugendlichen Patienten muss eine durch Zahnverlust entstandene Frontzahnlücke bis etwa zum 18. Lebensjahr mit einem Langzeitprovisorium versorgt werden.

Die zunehmende Anzahl traumatisch verletzter Zähne stellt insbesondere im Kindes- und Jugendalter in jedem Fall eine große therapeutische Herausforderung dar. Eine effektive Prävention vor unfallbedingten Zahnverletzungen oder -verlusten kann lediglich durch das Tragen eines durch den Zahnarzt angefertigten professionellen Zahnschutzes im Sinne einer Sportschutzschiene bewerkstelligt werden.