Medikation mit Bisphosphonaten

Allgemeines

 

Eine medikamentöse Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab erfolgt bei Patienten mit Osteoporose, Tumorerkrankungen mit Knochenmetastasen (z.B. Brust- und Prostatakarzinom, multiples Myelom) sowie Morbus Paget. Diese Medikamente greifen in den Knochenstoffwechsel ein. Sie vermindern im Wesentlichen die Knochenresorption und reduzieren die mit den o.g. Erkrankungen verbundenen Skelettkomplikationen, wie z.B. Knochenbrüche. Man spricht von sog. antiresorptiver Therapie.

Bisphosphonate werden bei Osteoporose meist oral (Bonviva®, Fosamax®, Skelid® u.a.) und bei Tumoren mit Knochenmetastasen meist intravenös (Zometa®, Aredia®, Bondronat®) verabreicht. Sie werden im Knochen gebunden und verbleiben deshalb eine relativ lange Zeit (Monate bis Jahre) im Körper. Denosumab (Prolia®, XGeva®) wird subkutan verabreicht. Es wird nicht im Knochen gebunden, sondern deutlich schneller als Bisphosphonate über die Niere ausgeschieden.

Zu den wichtigsten Nebenwirkungen von Bisphosphonaten und Denosumab gehört die Kiefernekrose, also das Absterben von Teilen des Kieferknochens. Häufig wird für das Krankheitsbild der Begriff BRONJ (Bisphosphonate-related osteonecrosis of the jaw, also Bisphosphonat assoziierte Kiefernekrose) verwendet. Sie liegt vor, wenn es bei vorangegangener Medikation mit o.g. Medikamenten zu einem Freiliegen des Kieferknochens (der Knochen ist nicht mehr von Schleimhaut bedeckt) über einen Zeitraum von mehr als 8 Wochen kommt, ohne dass eine Kieferbestrahlung zuvor durchgeführt worden war.

Neben dem freiliegenden Knochen können folgende Symptome vorliegen: Starker Mundgeruch, Zahnlockerungen, Fisteln, Schwellungen, Schmerzen und Taubheitsgefühle in der Unterlippe. Röntgenologisch ist das Bild nicht charakteristisch. Häufig zeigt sich das Bild der „persistierenden Alveolen“. Das Zahnfach heilt nach Entfernung des Zahnes nicht aus. Knochenveränderungen sind oft erst im fortgeschrittenen Stadium in Form inhomogen strukturierter Aufhellungen erkennbar. Die nekrotischen Gebiete sind oft schwer eingrenzbar. Gegebenenfalls sind Knochensequester (abgestorbene Kieferknochenbereiche) erkennbar. Eine dreidimensionale Röntgendiagnostik ist als Ergänzung oft notwendig. Die Folgen der Erkrankung können eine Minderung der Kau-, Schluck- und Sprechfunktion sowie Veränderung der Funktion der Gesichtsmuskulatur sein. Die Lebensqualität kann erheblich reduziert sein.

Die Entstehung der Kiefernekrose ist nicht in allen Details geklärt und sehr wahrscheinlich von mehreren Faktoren abhängig. Diskutiert werden die Kombination der o.g. Medikation mit entzündlichen Infektionen sowie Wunden in der Mundhöhle, Chemotherapie, immunsuppressiver Therapie sowie Langzeittherapie mit Kortison. Lokale Risikofaktoren sind schlechte Mundhygiene, bestehende Entzündungsvorgänge in der Mundhöhle, Prothesendruckstellen und Rauchen. Entscheidend für das Risiko an einer Kiefernekrose zu erkranken ist auch die Darreichungsform des Medikaments. Die hochdosierte intravenöse Medikation bei Patienten mit bösartigen Tumoren führt viel häufiger zu der Entwicklung einer Kiefernekrose (in 1 bis 20 % der betroffenen Patienten) als die eher niedrigdosierte orale Medikation bei Osteoporose (0,1-1,0 %). Auch die Dauer der Medikation ist entscheidend, da Bisphosphonate im Knochen gespeichert werden.

 

Therapie

 

Man unterscheidet zum einen die Prophylaxe der Kiefernekrose, also Maßnahmen, die das Risiko der Entwicklung der Erkrankungen herabsetzen und zum anderen die eigentliche Therapie einer bereits manifesten Kiefernekrose.

Bei der Prophylaxe wird unterschieden zwischen der Prophylaxe vor Beginn der Medikation und der Prophylaxe während einer bereits laufenden Medikation. Wesentlicher Teil der Prophylaxe ist die Beseitigung entzündlicher Prozesse im Kieferbereich, insbesondere die Entfernung parodontal stark vorgeschädigter Zähne, das Glätten von Knochenkanten, Korrekturen an Prothesen (um Druckstellen zu verhindern) und eine Optimierung der Mundhygiene.

Die erste Prophylaxe wird durchgeführt, bevor mit der Bisphosphonat- bzw. Denosumabtherapie begonnen wird. Sie sollte etwa 2 Wochen vor Beginn der Medikamenteneinnahme abgeschlossen sein. Insbesondere müssen Wunden in der Mundhöhle abgeheilt sein. Aus diesem Grund sollte bereits 6 bis 8 Wochen vor Beginn der Medikation mit der chirurgischen Sanierung von Entzündungsherden begonnen werden.

Bei bereits laufender Medikation sollten sich Patienten engmaschig zur zahnärztlichen Untersuchung vorstellen, um mögliche Entzündungen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. In dieser Phase sollten Zähne vor allem konservativ, d.h. nicht chirurgisch therapiert werden, um Wunden zu vermeiden. Ist unter laufende Medikation dennoch ein chirurgischer Eingriff erforderlich, muss dieser unter antibiotischer Abschirmung erfolgen. Ein schonendes chirurgisches Vorgehen, ein sicherer, dichter Wundverschluss sowie engmaschige Nachkontrollen sind dabei zwingend erforderlich.

Die Therapie der bereits ausgebrochenen BRONJ ist sehr anspruchsvoll und kann sich prognostisch schwierig gestalten. Sie ist abhängig vom Fortschritt der Erkrankung. Im Anfangsstadium stehen desinfizierende Maßnahmen mit Mundspüllösungen und Gels sowie die Optimierung der Mundhygiene im Vordergrund. Unterstützend können Antibiotika eingesetzt werden. Ziel ist es, eine weitgehende Entzündungsfreiheit zu erreichen und ein Fortschreiten des Absterbens des Knochens zu verhindern.  Im weiter fortgeschrittenen Stadium steht die schonende chirurgische Entfernung der abgestorbenen Kieferbereiche und eine sichere Deckung des Knochens mit Schleimhaut im Vordergrund. Alle operativen Eingriffe müssen unter antibiotischen Abschirmung erfolgen. Je nach Umfang muss die Behandlung gegebenenfalls stationär erfolgen. Bei großen Defekten kann eine Rekonstruktion des Kiefers mit transplantiertem Knochen notwendig werden.

Ein zeitweiliges Absetzen der Bisphosphonat-Medikation hat nach aktuellem Stand der Wissenschaft keine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf, da Bisphosphonate im Knochen gebunden werden und dort sehr lange wirksam sind. Auch ein kurzfristiges Absetzen der Medikation vor kieferchirurgischen Eingriffen ist ebenfalls nicht sinnvoll, da nicht von einer Verminderung der Knochenkonzentration ausgegangen werden kann. Inwieweit ein temporäres Absetzen der Denosumab-Medikation den Verlauf abmildern kann ist nicht abschließend geklärt. Sowohl für Bisphosphonate als auch für Denosumab gilt, dass eine Unterbrechung der Medikation nur dann in Betracht gezogen werden sollte, wenn der Verlauf der Grunderkrankung es zulässt.

 

Implantate unter Bisphosphonattherapie

 

Sowohl die Implantation als operativer Eingriff als auch entzündliche Komplikationen an Implantaten können einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Kiefernekrose darstellen. Allerdings ist das individuelle Risikoprofil von vielen Faktoren abhängig. Hierzu zählen vor allem die Dosis, Dauer und Häufigkeit der Medikation. Darüber hinaus muss aber auch eine Begleitmedikation z.B. in Form der Chemo-, Hormon- und Immuntherapie berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Allgemeinerkrankungen, die zu einer verzögerten Wundheilung führen können (z.B. Diabetes).

Implantate können trotz der o.g. Probleme das Risiko der Entwicklung einer Kiefernekrose senken, da sie eine herausnehmbare Prothese stabilisieren und damit gefährliche Druckstellen verhindern können.  Prinzipiell sollten aber bei der Implantatversorgung chirurgisch einfache Lösungen vorgezogen werden. Kieferkammaufbaumaßnahmen sind in der Regel nicht angezeigt. Eine optimale Mundhygiene und engmaschige Nachkontrollen sind zwingend notwendig.

 

Quellen

 

http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/007-091m_S3_Bisphosphonat-assoziierte_Kiefernekrose_2012-ungueltig.pdf

http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/Zahnaerztliche_Betreuung_von_Patienten_unternach_Bisphosphonat-Medikation.pdf

https://www.schattauer.de/index.php?id=5236&mid=18210&L=0

http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/implantireslang.pdf