Blutgerinnungsstörungen

Was sind Blutgerinnungsstörungen?

Von einer Blutgerinnungsstörung (Hämorrhagische Diathese) spricht man, wenn Blutungen entweder zu lang oder zu stark sind bzw. ohne erkennbaren Anlass entstehen. Gerinnungsstörungen entstehen entweder durch Störungen an den Blutgefäßen (Vaskulopathien), den für die Gerinnung mitverantwortlichen Blutplättchen (thrombozytär bedingte hämorrhagische Diathesen) oder den an der Gerinnung ebenfalls beteiligten Eiweißfaktoren (Koagulopathien).

Blutgerinnungsstörungen sind entweder angeborene oder erworbene Störungen der Blutgerinnung bzw. ihrer Umkehrung, der sogenannten Fibrinolyse. Letztere sorgt dafür, dass Verklumpungen im Blut aufgelöst werden, die lebensbedrohlich werden könnten indem sie eine Lungenembolie oder einen Schlaganfall verursachen.

Blutgerinnungsstören können prinzipiell zu einer zu schwachen oder zu starken Blutgerinnung führen.

Angeborene Blutgerinnungsstörungen sind in der Regel durch einen Mangel an sog. Gerinnungsfaktoren bedingt. Es sind bestimmte Eiweiße, die in einer komplizierten physiologischen Kaskade zur Ausbildung eines Blutpfropfs führen. Zu den wichtigsten angeworbenen Blutgerinnungsstörungen mit reduzierter Blutgerinnung gehören die Hämophilie A und B sowie das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom. Die wichtigste angeborene Störung mit einer erhöhten Blutgerinnung ist das Faktor-V-Leiden. Zu den angeborenen Vaskulopathien zählen z.B. das Morbus Osler-Weber-Rendu und das Ehlers-Danlos-Syndrom. Vaskulopathien spielen im Bereich der kieferchirurgischen Eingriffe nur eine untergeordnete Rolle. Ein Mangel an Blutplättchen kann z.B. Produktions- oder Reifungsstörung im Knochenmark oder aber in einem erhöhten Abbau z.B. durch Medikamente oder Autoantikörper (Morbus Werlhof) begründet sein.

Erworbene Gerinnungsstörungen gehen häufig auf eine beabsichtigte Medikation zurück, die die Blutgerinnung hemmen („Blutverdünner“) oder seltener erhöhen (z.B. bestimmte Medikamente, die in der Krebstherapie verwendet werden).

 

Zu den wichtigsten Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung gehören:

Die Thrombozytenaggregationshemmer Acetylsalicylsäure (z.B. ASS 100 mg Hexal®), Clopidogrel (Plavix®, Iscover®), Prasugrel (Efient®) und Ticlopidin (Tiklyd®) bewirken, dass Blutplättchen nicht verkleben können. Phenprocoumon (Marcumar®) ist ein Gegenspieler des Vitamin-K, einem zentralen Eiweiß in der Gerinnungskaskade. Heparin (Clexane®) führt zu einer sehr starken Hemmung bestimmter für die Gerinnung verantwortlicher Eiweiße (Thrombin und Faktor Xa).

 

Zu den sog. Neuen Oralen Antikoagulanzien (NAOK) gehören:

Rivaroxaban (Xarelto®), Dabigatran (Pradaxa®), Apixaban (Eliquis®) und Edoxaban (Lixiana®)

Diese Gerinnungshemmer hemmen ebenfalls bestimmte Gerinnungsproteine (Faktor Xa durch Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban sowie Faktor IIa durch Dabigatran). Diese Medikamente werden nach Absetzen schnell abgebaut und verlieren somit ihren gerinnungshemmenden Effekt. Ihr Vorteil liegt daher in der (im Gegensatz zu Phenprocoumon) guten zeitlichen Steuerung der therapeutischen Wirkung.

 

Was muss bei der Behandlung von Patienten mit Gerinnungsstörung beachten werden?

Wie in allen chirurgischen Disziplinen ist auch in der Oralchirurgie die Blutstillung und Blutgerinnung von eminenter Bedeutung. Die notwendigen Maßnahmen bei Patienten mit Gerinnungsstörungen hängen zum einen von der die Gerinnungsstörung auslösenden Grunderkrankung und zum anderen vom Umfang des oralchirurgischen Eingriffs ab.

Wir möchten Sie daher bitten, Ihre gerinnungshemmende Medikation nicht abzusetzen bzw. umzustellen, bevor Sie mit uns gesprochen haben.

Nicht immer ist ein Absetzen der Medikation notwendig. Viele Blutungen, die durch eine Blutgerinnungsstörung ausgelöst werden, lassen sich durch eine entsprechende Schnitt- und Nahttechnik sowie lokale Maßnahmen sehr gut beherrschen. Hierzu werden auch sog. Hämostyptika wie z.B. Gewebekleber, Kollagenflies, Gelatineschwämmchen und oxydierte Zellulose verwendet. Von großer Bedeutung sind auch spezielle Verbandplatten.

Vor einer chirurgischen Behandlung kann in bestimmten Fällen eine Blutuntersuchung mit Gerinnungstests sinnvoll sein. In Absprache mit dem behandelnden Hausarzt oder Internisten wird dann eine Umstellung oder ein zeitweiliges Aussetzen der blutverdünnenden Medikation durch uns veranlasst.

Unerlässlich sind eine genaue Planung und Umsetzung des Eingriffs unter Berücksichtigung aller beteiligten Faktoren. Eine große Zahl von Patienten mit Blutgerinnungsstörungen können ohne Probleme ambulant in unserer Praxis behandelt werden. Besondere Beachtung muss immer der Grunderkrankung geschenkt werden. Häufig ist es sinnvoll, Patienten während des chirurgischen Eingriffs im Hinblick auf Herz- und Kreislauffunktionen zu überwachen (anästhesiologisches Stand-by).

Bei schwerwiegenden Erkrankungen mit Blutplättchen- oder Gerinnungsfaktorenmangel müssen diese begleitend zur Operation substituiert werden. In diesen Fällen behalten wir uns vor, Sie an eine entsprechende Klinik zu überwiesen, wo Sie unter stationären Bedingungen behandelt werden.